Unsere Gesellschaft scheint immer weiter zu vereinsamen. Das führt dazu, dass wir auch an vermeintlich „wichtigen Tagen“ mit uns selbst alleine sind – an Weihnachten etwa. Zwei Dinge will ich dir mitgeben, bevor ich weiterschreibe. Erstens: So wie dir geht es gerade auch mindestens 6 Millionen anderen Menschen in Deutschland. Und zweitens: Wir sollten von unserer bis in die Perversion romantisierten Vorstellung vom perfekten Weihnachtsfest im Kreise der Familie ablassen. Diese Erwartungshaltung führt überhaupt erst dazu, dass wir das Gefühl der Einsamkeit nur schwer ertragen können. Wenn es allerdings bereits dabei ist aufzukommen, tun wir Folgendes.
Ein paar Wochen noch bis Weihnachten? Easy!
Wir planen eine Single-Party bei uns zu Hause. Für all jene, die an Weihnachten auch alleine sind. Wir müssen jetzt nicht komplett übertreiben, aber ein Kuchen, ein paar Häppchen und Cocktails sollten drin sein. Auch wenn es „nur“ eine Party aus drei Personen wird. Es wird für alle drei sicherlich besser, als einer depressiven Episode zu verfallen.
Wenn wir allerdings gar keine Freunde haben und wenn es die Arbeit, Finanzen und Zeit zulässt, buchen wir uns eine Reise. Egal wohin. Hauptsache, wir katapultieren uns aus der Realität irgendwo hin, wo es schön und neu ist. Damit sind eigentlich auch alle weihnachtlichen Probleme gelöst. Vorausgesetzt, wir suchen uns ein Land, das nicht gerade streng katholisch ist und wo uns die Tradition, mit der gesamten Familie zu feiern, noch ordentlich unter die Nase gerieben wird. Dennoch können wir auch da einfach raus in die Natur oder ans Meer oder den Ozean, um alle Gedanken und Gefühle besser verarbeiten zu können. Natürlich ist nicht jeder so privilegiert, einfach abzuhauen, wenn ihm danach ist. Ich bin es dieses Jahr ebenso wenig. Daher müssen wir noch kreativer werden.






Ein paar Tage vor dem Weihnachtsfest
Wenige Tage davor werden viele von uns bereits wissen, dass sie Weihnachten auf sich selbst gestellt sind. Und deshalb besorgen wir uns einen kleinen (oder großen) Weihnachtsbaum, schmücken ihn ganz nach unserem Geschmack – kitschig, monochrom, mit Lametta oder Bonbons – am besten so, wie wir lustig sind. Dann backen wir Plätzchen und verschenken sie NICHT. Die sind nämlich für uns. So können wir das Weihnachtsfeeling auskosten, sind aber nicht auf die Anwesenheit anderer Menschen gestellt.



Oder wir buchen uns ein Solo-Dinner in einem völlig überteuerten Restaurant, das wir schon lange mal besuchen wollten, kochen alternativ ein 5-Gänge-Menü zu Hause, lassen uns am 24. Dezember tätowieren, vorausgesetzt unser Tattoo-Artist macht da mit, oder fangen endlich das neue Hobby an, das wir seit Jahren vor uns her schieben. Wie wir damit anfangen ist egal. Ob wir gleich loslegen, ob wir uns auf YouTube Tutorials zu unserem Traum-Hobby reinziehen oder die ersten Vorbereitungen dafür treffen – alles macht Sinn.
(Freiwillige) Arbeit an Weihnachten
Oder wir gehen halt arbeiten. Bisher hat mir noch nie ein Arbeitgeber gesagt „nein, du bleibst zu Hause.“ In der Heidelberger Redaktion hatte ich das große Glück, dass meine Lieblingskollegin an Heiligabend mit mir zusammen die Stellung hielt. Recht still, aber fokussiert saßen wir den ganzen Abend nebeneinander und hauten in die Tasten. Jene, die selbständig sind, wissen sowieso, was zu tun ist: sich derart mit Arbeit zuzuladen, bis wir vergessen, wo oben und unten ist. Natürlich ist nicht jeder Job so und deshalb suchen wir nach einer anderen sinnvollen Aufgabe.
Ehrenamt: Manche Gemeinden (etwa Rastatt und Baden-Baden) organisieren an Heiligabend ein gemeinsames Abendessen für Leute, die alleine feiern müssen und dies nur schwer ertragen können. Als Gast würde ich da persönlich nicht hingehen, da ich Aktivität brauche. Als freiwillige Helferin hingegen schon. Letztens hatte ich ein Interview mit den Organisatoren der Baden-Badener Initiative „Gemeinsam an Heiligabend“. Es war sehr spannend, was die zu erzählen hatten und eine Message kann ich davon an euch weitertragen: Helfende Hände werden niemals abgelehnt. Selbst wenn alle Posten vergeben sind, könnt ihr durch den Saal gehen und die Gäste, die vielleicht genauso einsam sind, wie ihr es gerade seid, bespaßen, sie kennenlernen und ihnen ein gutes Gefühl geben. Meistens sind es, zumindest bei uns in der Region, ältere Frauen, die ein solches Angebot in Anspruch nehmen. Wenn ihr ihnen etwas von eurer Wärme und Aufmerksamkeit schenkt, fühlt ihr euch nicht mehr so alleine und habt dabei das Prinzip der Nächstenliebe erfüllt. Informiert euch über Angebote in eurer Stadt. Selbst wenn ihr spontan hingeht, wird euch kaum jemand vor die Tür setzen und eure Hilfe ablehnen.
O-oh, es ist bereits Heiligabend! Was tun?
Das Erste, was wir an Heiligabend machen: wir machen uns hübsch. Frisieren uns, cremen uns ein, parfümieren uns, wenn wir Lidschatten benutzen, dann den richtig extravaganten, für den wir bisher nicht den passenden Anlass hatten – wir schaffen eine Full-Glam-Eskalation, ziehen unsere schönsten „Ornate“ und den üppigsten Schmuck an und genießen uns selbst.

An Heiligabend, wenn es nicht gerade ein Sonntag ist, haben die Läden bis zur Mittagszeit noch offen. Wir nutzen das, gehen noch ein bisschen bummeln, gehen durch die Stadt, trinken dort einen Tee oder Kaffe, gehen vielleicht sogar zum Gottesdienst, auch wenn wir nicht katholisch sind, aber unser Glaube es zulässt, eine Kirche zu betreten.
Allein an Weihnachten: Wanderung und Unterhaltungsprogramm
Wir könnten auch wandern gehen. Für Baden-Württemberg und Hessen habe ich hier ein paar schöne Ausflugstipps publiziert. Die können wir nutzen, wenn das Wetter mitmacht. Oder wir gehen eben „all in“ bei Schlamm und Regen – ist auch recht abenteuerlich und mit Sicherheit nur schwer zu vergessen. Und wer will nicht eines Tages jemandem erzählen, wie er mal an Heiligabend die Offenbarung erlangt hatte, als er knöcheltief im nassen Dreck auf einem Berg mitten im Schwarzwald stand?
Alternativ schauen wir, ob es noch Tickets für die Oper, Theater, Konzert, Kino, Comedy-Show – egal was – gibt. Single-Plätze sind in letzter Minute wesentlich einfacher zu ergattern.
Eine kleine anonyme Freude
Wir könnten auch einfach jemandem ganz anonym ein Geschenk vor die Tür legen. Dafür steigern wir uns maximal in die Situation rein, tun so als seien wir 007 höchstpersönlich und platzieren es mit übertriebener Dramaturgie am Zielort. Tut dies aber NICHT bei Ex-Partnern oder Situationships. Wir wollen Spaß haben und nicht noch weiter in unserer Verzweiflung versinken. Hierfür eignen sich eher neutrale Personen besonders gut: Nachbarn, alte Klassenkameraden, ehemalige Kollegen, Omis und Opis in eurer Stadt, von denen ihr genau wisst, dass sie an Weihnachten ebenso einsam sein könnten. Ein Päckchen eurer selbstgebackenen Plätzchen, die ihr eigentlich für euch selbst geplant habt, wären etwa eine nette Geste.

Abends zu Hause schauen wir uns dann einen schönen Film an. Nicht gerade einen weihnachtlichen, da in den Hollywoodfilmen dieses überromantisierte Familiengesülze oftmals stark propagiert wird. Und das ist das aller Letzte, was wir brauchen. Wir schauen uns irgend etwas Neutraleres an. Etwa eine nicht romantische Komödie, eine Biographie, einen Cartoon, eine Doku, avecMadlen auf YouTube, Tatort in der ARD-Mediathek oder, wenn es uns richtig dreckig geht, etwas Blutigeres: Quentin Tarantino Filme, Krimis, Horrorfilme, mörderische Dokumentationen. Wenn wir erstmal abgetrennte Körperextremitäten sehen, erkennen wir schnell, wie gut es uns eigentlich geht.
Allein an Weihnachten: Das lassen wir schön bleiben
Was wir NICHT machen: Saufen, Drogen nehmen, auf fragwürdige Dates gehen oder einfach weinend im Bett liegen. Ich verbiete euch das. Vor ein paar Jahren wollte ich mich betrinken, um das ganze zu vergessen, aber mein Nervensystem hat den Alkohol komplett blockiert. Also war mir einfach nur schlecht und mein Kopf war völlig nüchtern. Ich erkannte: das war ein schlechter Plan. Sorry fürs oversharen, aber es ist wie es ist. Schaut auch bei meinem Artikel „Allein an Valentinstag“ vorbei. Dort findet ihr weitere Ideen, die ihr auch an Weihnachten machen könnt. Und wenn’s gar nicht geht: schreibt mir bei Insta. Ich werde safe die meiste Zeit auch alleine sein und mich über eine nette Nachricht freuen.
Ho-ho-haltet die Ohren steif und denkt daran: wir alle gestalten unsere eigene Realität. Fühlt euch gedrückt und frohe Weihnachten. Eure Madlen.
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