Fotoalben sind für mich das Größte. Zwei mal schenkten mir Freundinnen Fotoalben und ich garantiere euch: das waren die besten Geschenke, die ich je bekommen habe. Bis heute blättere ich darin rum und bin sofort in eine Zeit zurückversetzt, in der ich glücklich und wild war. Bin ich heute natürlich auch noch, aber bestimmte Momente erneut zu durchleben und die Liebe zu spüren, die die Personen in diese Alben gesteckt haben, ist mit nichts zu vergleichen.
Schwierige Freundschaft endet – was bleibt, sind Fotos
Das erste Album ist von einer ehemaligen Freundin. Nennen wir sie Maria Eduarda. Wir haben seit Jahren keinen Kontakt mehr. Maria Eduarda hatte vermutlich eine narzisstische Persönlichkeitsstörung – eine etwas andere als ich. Sie äußerte sich dadurch, dass sie mich vor anderen Personen ständig versuchte runterzumachen, um sich selbst auf ein Piedestal zu heben. Ich ertrug es irgendwann nicht und verschwand aus ihrem Leben. Zuvor sprach ich sie offen darauf an und erzählte ihr, wie unwohl ich mich dabei fühle. Sie zeigte sich einsichtig, doch es dauerte nicht lange, bis das wieder von vorne losging.
Dennoch verbrachten Maria Eduarda und ich sehr viel Zeit zusammen. Wir trafen uns eine Zeit lang jeden Tag – wir lebten nicht weit voneinander entfernt. Als ich sie das erste Mal sah, begeisterte sie mich mit ihrer Verrücktheit, ihrer Dynamik und ihrer charismatischen Energie. Wir standen uns sehr nahe, aber waren emotional nicht auf dem gleichen Level. Sie war eine dieser Freundinnen, mit der man Spaß haben konnte, ohne dabei deep zu werden. Doch das reichte mir nicht. Und ihre narzisstischen Anfälle konnte und wollte ich nicht mehr ertragen. Also war ich raus.
Das Fotoalbum lässt mich unsere Freundschaft überdenken
Vor nur wenigen Monaten sah ich sie nach langer Zeit wieder, doch sie weiß nichts davon. Ich erkannte sie von hinten an ihrer beachtlichen Größe, dem unfassbaren Haar und der Männermenge, die sie umgab. Außerdem trug sie die Jacke, die ich ihr vor Jahren geschenkt hatte, als ich mich auf eine lange Reise begab. Im Gegenzug gab sie mir ein Fotoalbum mit Erinnerungen an unsere Freundschaft.
Auf vielen Bildern sind wir zu zweit zu sehen, manche zeigen uns beim Kiffen, manche beim Saufen, in der Sauna, auf Raves, im Lift, in der Shishabar – manche zeigen ihre Katzen. Letztens beschloss ich ein paar Bilder auszusortieren, um mir Platz für jene zu schaffen, die ich lieber habe. Ich zog Maria Eduardas Bilder aus ihren Hüllen und entdeckte erstmals die Aufschriften an den Rückseiten: „Lerne, ohne Erwartungen zu leben, so kannst du die Wunder sehen, die jeden Tag geschehen… Mein Wunder ist es, Dich zu kennen“, schrieb sie mit einem grünen Stift auf die Rückseite eines Bildes von einer Party in Karlsruhe. Jetzt, in diesem Moment, tränen meine Augen, wenn ich das lese und wiedergebe. Und auch als ich Wochen später redigiere, muss ich ein bisschen heulen.

Auf jedem Bild steht hinten etwas. Das zeigt, dass sie sich Gedanken machte und ich ihr vermutlich doch mehr bedeutet hatte, als ich immer dachte. Das macht mich emotional. Natürlich habe ich die Bilder nach dieser Entdeckung nicht mehr auswechseln oder vernichten wollen. Diese Erfahrung und das gründliche Studieren der Bildaufschriften haben mich erkennen lassen, dass diese Freundschaft nicht nur toxisch war. Wie das Leben nicht nur schwarz oder weiß ist. Es gab Gründe, warum wir zueinander fanden und ich denke gerne an diese wilde Zeit zurück. Das Bedürfnis, sie erneut zu durchleben habe ich aber nicht. Dafür reichen mir unsere Fotos.

Unvergessliche Momente aus meiner Zeit in Heidelberg
Das zweite Fotoalbum ist gerade Mal ein Jahr alt. Dennoch fühlt es sich an, als sei es aus einem andren Leben. Ich bekam es von einer Arbeitskollegin, mit der ich eine Freundschaft entwickeln konnte, obwohl wir ganz unterschiedliche Dynamiken und Weltanschauungen hatten. Kurz gesagt: Teresa und ich hatten unterschiedliche Paradigmen, aber wir verstanden uns auf bestimmten Ebenen: Beide verträumt und kreativ, beide exzentrisch und seelisch in einer ganz eigenen Welt.
Als ich den Job bei wir-wissen-welchem-Medium aufgab, ging Teresa wenig später auch. Zu meinem Abschied schenkte sie mir ein Fotoalbum. Jedes Mal, wenn ich es sehe, lache und weine ich. Manchmal gleichzeitig. Sie gab sich wahnsinnig viel Mühe dabei, die besten Momente zusammenzustellen und den Vibe dieser verrückten und wilden Zeit, die überwiegend scheiße anstrengend war, wiederzugeben. Sie hat alles mit ihren eigenen Händen gemalt, ausgeschnitten, beklebt, recherchiert, ausgedruckt. Ich liebe dich dafür, Teresa. Ich vermisse die Zeit mit dir, mit euch. Es ist schwer die Energy unserer arbeitsinternen Girl-Gang zu schildern, aber wir hatten Momente zusammen, die ich niemals vergessen werde.



Diesmal war ich die toxische Freundin – ein bisschen jedenfalls
Ich werde niemals auf unsere Boots- und Sauftouren klarkommen. Ich werde nie unsere Interventionen und unsere Nähe zueinander vergessen. Wie sauer auf mich alle waren, als ich abgehauen bin, habe ich deutlich zu spüren bekommen und nehme es hin wie eine Frau. Der kollektive Unmut ist auch nachvollziehbar. Aber ich musste weg, weil ich die Möglichkeit hatte, mich selbst zu verwirklichen. Und diese Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen.

Aber ja, ich weiß auch genau, was die Girls mir auf diese Argumentation antworten würden. Es ging nicht um das Gehen, sondern um das wie. Deshalb sehe ich meinen Fehler ein: ich hätte meinen Abgang mit allen persönlich besprechen sollen, statt sie mit einer kurzen Nachricht ins kalte Wasser zu werfen. Ich mache auch Fehler, die ich bereue. Und wie ich letztens zu hören bekam, bin ich auch noch ein schlechter Empath. Ich dachte immer, dem sei nicht so, weshalb ich über diese Information erstmal reflektieren muss. Aber ich schweife ab, wie so oft. Kennen wir ja. Jedenfalls deute ich mein Verhalten den Girls gegenüber als Beleg dafür, dass ich tatsächlich weniger empathisch bin, als ich immer dachte zu sein.
„mad memories“ – ein Fotoalbum wilder als ’ne Horde Giraffen
Dieses Fotoalbum – es heißt übrigens „mad memories“, weil mein Autorenkürzel seit Anbeginn meiner journalistischen Karriere (mad) ist – fasst die besten und verrücktesten Momente zusammen, die wir in dieser viel zu kurzen Zeit miteinander hatten. Mädels, ihr habt alles Beste dieser Welt verdient. Ich hoffe, dass die, die noch dort sind, unsere Traditionen am Leben halten und immer noch zusammen auf „verbotene Reportagen“, Bootstouren, Lesungen und Co. gehen und somit alles aus diesem harten und psychisch belastenden Job mitnehmen. Ich denke an euch alle und ich liebe euch. Daran wird sich niemals etwas ändern.


Diese emotionalen Erfahrungen mit Fotoalben haben mich dazu veranlasst, selbst Fotoalben zu erstellen. Mit mir in der Hauptrolle, natürlich. Ich liebe es, immer mal wieder reinzuschauen und festzustellen, was für ein erfülltes und intensives Leben ich führe. Ich will einfach alles von diesem Leben. Meine Fotoalben helfen mir dabei, zu erkennen, dass ich mir auch alles nehme. Und diese Erkenntnis fühlt sich geil an. Habe ich auch ein Fotoalbum, das den Namen „EROS“ trägt? Vielleicht ;). Aber ob das jemals jemand zu Gesicht bekommen wird – das muss ich mir noch gründlich überlegen.