In Baden-Baden liegt Geschichte nicht nur in der Luft. Sie spiegelt sich auch in Stein und Glas wider. Werfen wir doch mal einen Blick auf die architektonischen Meisterwerke der Stadt – die Gotteshäuser. Sie zeigen uns nicht nur, wie unsere Stadtbewohner seit vielen Generationen ihren Glauben leben, sondern geben auch Einblicke in die europäische Baukultur und Experimentierfreude an Gestaltung. Gehen wir sie einmal chronologisch durch und fangen mit der ältesten und wohl bekanntesten Kirche an.
Stiftskirche Liebfrauen in Baden-Baden

Markant thront die Stiftskirche Liebfrauen am Florentinerberg. Ihr rund 68 Meter hoher Turm prägt die Silhouette der Altstadt. Nicht nur meine Fotoarchive sind voll von ihr. Erstmals 987 urkundlich erwähnt, wurde sie im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut, erweitert und geformt. Aus dem 13. Jahrhundert ist der romanische Turmschaft erhalten geblieben, während der Chor und das Langhaus zwischen 1453 und 1474 im spätgotischen Stil erbaut wurden.
Was erwartet uns im Inneren? Die Kirche ist dreischiffig mit Querhaus und Chor angelegt. Ihre Decken sind von Kreuzrippengewölben überspannt, die von Sandsteinpfeilern getragen werden. Im Chor finden wir das aufwendig gestaltete Hochgrab des Markgrafen Ludwig Wilhelm (Türkenluis). Davor bleibe ich immer besonders lange stehen, egal, wie oft ich es bereits gesehen habe.









Die evangelische Stadtkirche
Nachdem 1855 der Grundstein gelegt wurde, fand 1864 die Einweihung der Evangelischen Stadtkirche statt. Ihr denkt euch vielleicht: „Wie bitte?“ Zurecht – bei ihrem Anblick könnte man leicht glauben, sie stamme aus der Hochgotik. Doch dem ist nicht so. Tatsächlich gehört sie der Neogotik an, einem Stil des 19. Jahrhunderts, der bewusst die Formen und Motive der Gotik wieder aufgriff. Die Neogotik zählt zu den frühesten Unterarten des Historismus, der sich in Kunst und Architektur an den Stilen vergangener Jahrtausende und verschiedener Kulturen orientierte. Wir kennen das etwa auch vom (Neo-)Klassizismus, der sich an der Antike, vor allem am griechischen und römischen Tempelbau, orientiert hatte.


Die Stadtkirche ist meistens geschlossen, weshalb ich sie heute erstmals, nach all den Jahren, betreten habe. Wunderschön – auch von innen: Im Hauptschiff finden wir spitzbogige Fenster mit farbigen Glasmalereien, die viel Tageslicht hineinlassen. Das Kreuzrippengewölbe überspannt den gesamten Raum und über der Empore am Eingang steht seit 1973 eine eindrückliche Orgel, auf der während meines Besuchs fleißig geprobt wurde. Ein magischer Moment, der mir für lange Zeit im Herzen bleiben wird. Die Deckenhöhe beträgt schätzungsweise 15–20 Meter, aber manche von euch werden wissen, wie (un)zuverlässig ich im Schätzen bin, daher Angabe ohne Gewähr.


Stourdza-Kapelle auf dem Michaelsberg
Mit Neoklassizismus geht es weiter. Die rumänisch-orthodoxe Kapelle Heiliger Erzengel Michael, auch bekannt als Stourdza-Kapelle, wurde zwischen 1863 und 1866 nach Plänen der Architekten Leo von Klenze und Georg von Dollmann erbaut. Sie steht auf dem Michaelsberg. Von Weitem erkennen wir sie an einer der zwei güldenen Kuppeln der Stadt. Sie ist 24 Meter hoch und eine Miniaturreplik der Kuppel der Peterskirche in Rom.

So einfach lässt die Stourdza-Kapelle sich jedoch nicht betreten. Man muss schon einen Termin erbitten, um sie von innen zu sehen. Von außen sehen wir einen kubischen Baukörper, dessen Wandflächen abwechselnd mit weißem, rotem und gelbem Sandstein „gestreift“ sind. Die Vorhalle wird von vier ionischen Säulen getragen. Diese Kirche ist für mich immer wieder ein krönender Abschluss, nach einem Spaziergang auf dem Michaelsberg.



Russisch-Orthodoxe Kirche Baden-Baden
1880 bis 1882 folgt der nächste große Bau: Die russisch-orthodoxe Kirche an der Lichtentaler Straße wird nach den Plänen des St. Petersburger Architekten Iwan Strom errichtet. Sie gehört zum nordrussischen bzw. russisch‑orthodoxen Stil mit byzantinischen Elementen. Ihr Grundriss hat die Form eines griechischen Kreuzes. Das ist auch bei vielen katholischen Kirchen und Klöstern üblich. Wie ihr euch sicher denken könnt, ist das die zweite güldene Kuppel der Stadt. Nur hat sie eine etwas andere Form: Im Deutschen sagen wir „Zwiebelkuppel“ dazu. Diese wird gekrönt von einem dreibalkigen Kreuz.
Das Mosaik über dem Portal und der prächtig ausgestattete Innenraum stammen vom „Malerfürsten“ Grigor Gagarin. Eine sogenannte Ikonostase aus weißem Marmor trennt den Altarraum vom Gemeinderaum – der Blick auf den Altar wird, wie in der russischen Kultur üblich, nur zu bestimmten Gottesdienstzeiten freigegeben.



Weststadt: Katholische Kirche St. Bernhard
Sehenswert ist auch die katholische Kirche St. Bernhard in der Baden-Badener Weststadt. Sie wurde zwischen 1911 und 1914 nach den Bauplänen von Johannes Schroth erbaut. Diese stießen damals auf deutliche Kritik vom bischöflichen Ordinariat, da sie Jugendstil-Elemente aufwiesen. Der Architekt konnte seine Vision des Bauwerks jedoch verteidigen, indem er argumentierte, dass die katholische Kirche damit mit der Zeit gehe.
Stilistisch prägend ist außerdem eine byzantinisch-frühchristlich wirkende Architektur, die sich in der zentralen Rotunde mit Kuppel widerspiegelt. Ihre Fresken und das einfallende Tageslicht wirkten auf mich überwältigend. Ganz zu schweigen von der gigantischen Orgel auf der Empore über dem Haupteingang.
Den Namen St. Bernhard verdankt das Gotteshaus dem seligen Bernhard von Baden. Der verzichtete auf seinen Herrschaftsanspruch und linderte stattdessen die Armut und Not der Bevölkerung, indem er einen Großteil seines Vermögens hinterließ.



Kein Anspruch auf Vollständigkeit, es gibt nämlich noch mehr Kirchen in Baden-Baden, die ich euch nach und nach hier vorstellen werde. Freut euch also auf Updates.
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