„Der Blaue Reiter“ zerfickte meine Vorstellungen von Gut und Böse. Mit anderen Worten: Ich war nicht vorbereitet auf das, was auf mich im Münchner Lenbachhaus warten würde. Noch immer brennt mir der Vibrant der Farben in den Augen und ich sehne mich nach der Ausstellung schon fast, wie nach einem Schuss Heroin. Es war die beste Kunstausstellung meines Lebens. Glaub ich zumindest. Schon als ich den ersten Raum betrat, spürte ich deutlich mein schönes Russland in der Luft. Mich begrüßte Kandinskys frühe Phase – russische Landschaften und das einfache Leben in der heiligen Rus‘.

„Der Blaue Reiter“ im Lenbachhaus München
Das Lenbachhaus in München ist, eigenen Angaben nach, Besitzer der weltweit größten Sammlung an Kunstwerken der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“. Als eine der bedeutendsten Gruppen der modernen Kunst, prägte sie eine abstrakte Formensprache. Ihr zugehörig waren fantastische Künstler wie Wassily Kandinsky, Alexej von Jawlensky, Franz Marc, Gabriele Münter und Marianne von Werefkin. Ihr gemeinsamer Glaube an die „geistige“ Dimension der Kunst schuf vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten. Die Theorie mit der Spiritualität im Bild habe ich (noch) nicht aufgreifen können, sie zu spüren bekam ich aber deutlich. Von der Kunst dieser Genies wurde ein Teil meiner Seele berührt, der sich schon lange nicht mehr regte.
Die Ausstellung führt ihre Besucher vom Entstehen erster Ölstudien Kandinskys und Münters über Murnauer Landschaftsbilder bis hin zu farbenprächtigen Gemälden wie „Blaues Pferd I“ und „Der Tiger“ von Franz Marc. Die erste Schau des Blauen Reiter fand im Winter 1911 in der Münchner Galerie Thannhauser statt. Dabei traten auch neue Künstlerfreunde wie August Macke und Heinrich Campendonk ins Rampenlicht. Natürlich durften auch sie nicht bei der Ausstellung im Lenbachhaus fehlen. Macke bescherte mir mit seinen Darstellungen Gänsehaut am ganzen Körper. Vor Kandinsky musste ich weinen – ich hatte nie einen Bezug zu seiner Kunst aber seit dem Tag im Lenbachhaus denke ich an nichts anderes mehr.








Kandinsky in die Fresse: Ich will noch ’ne Runde!
Besondere Höhepunkte waren die separaten Räume für die berühmten Riesengemälde Kandinskys. So viel Kandinsky-in-die-Fresse habe ich noch nie erlebt und hätte auch nie gedacht, dass er so süchtig machen könnte. Ich durchlebte alle Stadien der Emotionalität und musste am Ende feststellen, dass ich nun wahrscheinlich sein allegrößter Fan bin. Die Ausstellung im Lenbachhaus war mit der Ausstellung des „Blauen Reiters“ in Basel damals (oder?) bei Gott nicht zu vergleichen. Sie war mit nichts zu vergleichen. Nicht einmal mit der „Plastic World“, die ich in der Schirn zwei Mal besuchen musste, weil es mir so sehr gefiel. Obwohl die intensität des Farbenspiels dort ein entfernt ähnliches war.
Ein weiteres Kabinett im Lenbachhaus zeigte exklusive Arbeiten von Alexej von Jawlensky aus verschiedenen Schaffensphasen. Darunter befanden sich selten gezeigte Gemälde wie „Der Bucklige“ und „Sitzender Akt“. In weiteren Räumen mischten sich Jugendstilwerke mit Kandinskys Frühwerk sowie Kunstwerken von Gabriele Münter, August Macke, Franz Marc und Heinrich und Ada Campendonk.




„Der Blaue Reiter“: Jeder Raum mit Bedacht gewählt
In einem weiteren Abschnitt sind bekannte Werke wie „Der Tiger“ von Franz Marc oder August Mackes „Hutladen“ und „Türkisches Café“ zu sehen. Der große Oberlichtsaal präsentiert ausgewählte Arbeiten aus dem Nachexpressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Diese zwischen 1918 und den 1940er-Jahren entstandenen Werke deutscher und internationaler Künstler spiegeln eindrucksvoll die außergewöhnliche Vielfalt dieser Epoche wider.
Um es auf den Punkt zu bringen: Jeder Raum in der Lenbachhaus-Ausstellung „Der Blaue Reiter“ eröffnet ein neues Portal in eine Welt des Schönen und Wunderbaren – der außergewöhnlichen Farben und der abstrakten und weniger abstrakten Formen. Ich bin total verrückt nach dieser Künstlergruppe und wette, dass ich mir den „Blauen Reiter – eine neue Sprache“ (so der vollständige Name dieser Fantastik) noch weitere Male reinziehen werde. Ein Ablaufdatum dafür ist nicht auffindbar. Ich gehe davon aus, dass das nun zur Dauerausstellung gehört – sicher bin ich mir allerdings nicht.
[…] Meine Nummer 1 war natürlich die wiedereröffnete Dauerausstellung im Münchner Lenbachhaus: Der Blaue Reiter, der für mich nur schwer zu toppen sein […]