Als ich letztes Jahr erstmals das Lehnbachhaus betrat, war ich wie auf Ecstasy, ehrlich. Die Farbenpracht der Werke Kandinsky’s und Franz Marcs war nicht in adäquate Worte zu fassen (im verlinkten Artikel findest du auch weitere Exponate).
Da ich vor wenigen Tagen wieder in München war, um den Geburtstag meiner guten Freundin zu feiern, dachte ich mir: ich schnei da wieder vorbei. Natürlich war ich genauso überwältigt, wie damals. Doch die „Blauer Reiter“-Ausstellung, so wie sie jetzt gerade ist, wird es nicht ewig geben. Daher nichts wie hin ins wunderschöne München!




1. Maria Franck-Marc: Blumen und gelbe Disteln, ca. 1913
2. Wassily Kandinsky: Große Studie zu einem Wandbild für Edwin R. Campbell (Sommer), 1914
3. Alexej von Jawlensky: Bildnis des Tänzers Alexander Sacharoff, 1909
4. Wassily Kandinsky: Entwurf 2 zu Komposition VII, 1913
Manch einer könnte sich fragen, warum ausgerechnet die bayerische Landeshauptstadt zum Epizentrum einer internationalen Kunstbewegung wurde. Die Gruppe „Blauer Reiter“ entstand 1911 in München – initiiert von Wassily Kandinsky und Franz Marc. Ihre Wurzeln lagen in der Münchner Avantgarde1. Das Lenbachhaus, einst Zuhause des Malers Franz von Lenbach2, wurde zum Zentrum dieser Bewegung. Unten in den Fußnoten erfährst du, warum das ein bisschen ironisch ist.
- Ein weiteres Juwel, das man unbedingt gesehen haben muss: die Münchner Residenz

Woher stammen die Bilder?
Der Kern der Sammlung geht auf ein großzügiges Vermächtnis zurück: 1957 schenkte Gabriele Münter über 1.000 Werke dem Museum, darunter etwa 90 Ölgemälde, 330 Aquarelle, Skizzen und Glasmalereien. Ergänzt wurde diese Sammlung 1965 durch Schenkungen der Bernhard Koehler-Stiftung – etwa Werke von Franz Marc und August Macke.
Da ich bisher noch nicht konkret herausfinden konnte welche Bilder genau Münter dem Kunsthaus schenkte, hier einfach eine random Auswahl der Exponate:






2. ?
3. Wassily Kandinsky: Improvisation 26 (Rudern), 1912
4. Franz Marc: Blaues Pferd I, 1913
5. Wassily Kandinsky: Improvisation 19, 1911
6. Wassily Kandinsky: St. Georg III, 1911


Rechts: Wassily Kandinsky: Reitendes Paar, 1906/07
Ausstellungslaufzeit & Aufbau
Die aktuelle Schau unter dem Titel „Eine neue Sprache“ läuft voraussichtlich bis Ende 2025 oder sogar Winter 2026. Gezeigt werden rund 250 Werke. Von frühen Jugendstil-Werken und Holzschnitten über Hinterglasbilder bis zu seltenen Fotografien und Skulpturen. Elisabeth Epstein, Katharine Schäffner und Neuankäufe sind ebenso vertreten wie unser geliebter Kandinsky, Klee und Marc.


Rechts: Josef Scharl: Drei Korporierte (Larven), 1925
Diese Ausstellung beleuchtet nicht nur die Entstehung, sondern auch die Vorgeschichte und Nachwirkungen der Künstlergruppe, inklusive Einflüssen aus Japan, Volkskunst und Kinderzeichnungen. Zum ersten Mal werden hier auch die Neuankäufe des Vereins vorgestellt; etwa von Franz Marc, Maria Franck-Marc und dem NS-verfolgten Moissey Kogan3.
Ein begleitender Filmbereich und eine Bibliothek laden zum Eintauchen in spirituelle und theoretische Kunstaspekte des Blauen Reiters ein. Außerdem ist die Ausstellung Teil eines internationalen Austauschs: ab April 2025 wandern zahlreiche Werke nach London für „Expressionists. Kandinsky, Münter and the Blue Rider“ in der Tate Gallery of Modern Art.
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Bebilderung dieses Artikels
Bild von der Außenansicht des Lenbachhauses: von Maria M. auf Unsplash
Alle anderen Bilder © avecMadlen
Fußnoten
- Der Blaue Reiter war ein zentraler Bestandteil der Münchner Avantgarde, aber nicht mit ihr gleichzusetzen. Die Münchner Avantgarde war eine breitere Bewegung in der Kunstszene der Stadt um 1900 bis etwa 1914, in der sich verschiedene Künstlergruppen gegen den Akademismus und die traditionelle Kunst wandten.
Der Blaue Reiter, gegründet 1911 von Kandinsky und Marc, war eine der bedeutendsten Gruppierungen innerhalb dieser Avantgarde und repräsentierte deren radikalsten und international ausgerichteten Flügel. Während andere Strömungen der Münchner Avantgarde eher dem Jugendstil oder frühen Expressionismus verpflichtet waren (z. B. Künstler der Phalanx oder der Neuen Künstlervereinigung München), suchte der Blaue Reiter bewusst nach einer universellen, spirituellen Bildsprache jenseits traditioneller Grenzen.
Kurz gesagt: Der Blaue Reiter war eine der prägendsten Gruppen der Münchner Avantgarde, die den künstlerischen Aufbruch Münchens zu einem Zentrum der Moderne entscheidend mitgestaltete. ↩︎ - Franz von Lenbach war kein Teil der Münchner Avantgarde und auch nicht am Blauen Reiter beteiligt – ganz im Gegenteil: Er verkörperte die traditionelle Kunstauffassung des 19. Jahrhunderts. Lenbach (1836–1904) war ein berühmter Porträtmaler, der für seine realistischen Darstellungen von Politikern, Adeligen und Künstlern bekannt war. In München gehörte er zur etablierten Kunstszene und war Vertreter des Historismus.
Sein Wohnhaus und Atelier, das Lenbachhaus, wurde jedoch später zum Ausstellungsort genau jener Künstler, die sich von seinem Stil abwandten: der Avantgarde und insbesondere dem Blauen Reiter. Heute ist das Lenbachhaus weltberühmt für seine Sammlung von Werken dieser Künstlergruppe – ein spannender Kontrast zum Namensgeber. Ironie? ↩︎ - Moissey Kogan (1879–1943) war ein jüdisch-rumänischer Künstler, der vor allem für seine filigranen Skulpturen, Reliefs und Zeichnungen bekannt wurde. Er bewegte sich im Umfeld der europäischen Avantgarde, hatte aber keinen direkten Bezug zum Blauen Reiter. Auch zur Münchner Avantgarde gehörte er nicht im engeren Sinne. Kogan war eher dem Pariser Kreis um Künstler wie Maillol und Brancusi verbunden und später auch Teil des Bauhaus-Umfelds.
Seine Arbeiten zeigen eine Hinwendung zu antiken und archaischen Formen, oft mit Anklängen an Jugendstil und Symbolismus. Im Gegensatz zu den expressionistischen, farbgewaltigen Arbeiten des Blauen Reiter bevorzugte Kogan zurückhaltende, ornamentale Ausdrucksformen.
Sein Schwerpunkt lag also außerhalb der Münchner Strömungen. Im Lenbachhaus wird er heute dennoch ausgestellt, da seine Kunst den erweiterten Kontext der Moderne mitprägt – als leise, formbewusste Gegenposition zur expressiven Kunst des Blauen Reiter. ↩︎