Das Konzept des Paradigmas hat seinen Ursprung in der Wissenschaft, wird aber heute weitläufig genutzt, um Modelle, Theorien oder Annahmen zu beschreiben. Ein Paradigma hilft uns dabei, die Welt um uns herum zu verstehen und zu interpretieren.
Paradigmen: Die Landkarten der Wahrnehmung
Denke an ein Paradigma wie an eine Landkarte. Eine Karte repräsentiert nicht das tatsächliche Land, sondern liefert uns eine Darstellung bestimmter Aspekte eines Gebiets. Genauso ist ein Paradigma eine Theorie oder ein Modell von etwas anderem – etwas Größerem. Nehmen wir an, du willst einen bestimmten Ort im Zentrum Frankfurts erreichen und hast dazu einen Stadtplan zur Hand. Was wäre aber, wenn dieser Stadtplan irrtümlicherweise der von Hannover ist? Dein Bemühen, das Ziel zu erreichen, wäre frustrierend erfolglos.
Du könntest versuchen, dein Verhalten anzupassen: Dich mehr anzustrengen, oder dich schneller durch die einzelnen Straßen arbeiten. Dennoch würde jede zusätzliche Anstrengung dich nur schneller zum falschen Ort führen. Eine positivere Einstellung könnte zwar deine Frustration lindern, aber du wärst immer noch am falschen Ort verloren.
Durch diese Einflüsse formen sich Paradigmen
Das grundlegende Problem hat also nichts mit deinem Verhalten oder deiner Einstellung zu tun. Es hängt damit zusammen, dass du einen falschen Stadtplan hast. Erst dann, wenn du einen richtigen Plan von Frankfurt hast, spielt dein Fleiß überhaupt eine Rolle. Wenn du unterwegs auf frustrierende Hindernisse triffst, dann kann es wesentlich auf deine innere Einstellung ankommen. Aber die erste und wichtigste Bedingung ist die Genauigkeit des Stadtplans. Ähnlich ist es mit den „mentalen Landkarten“ in unseren Köpfen, die unsere Sicht auf Realität und Werte prägen.
Hast du dich jemals gefragt, warum du Dinge so siehst, wie du sie siehst? Die Antworten liegen in unseren Paradigmen – den mentalen Rahmen oder Landkarten, die wir im Laufe unseres Lebens erstellen. Sie formen sich durch vielfältige Einflüsse: Familie, Schule, Arbeitswelt oder Freunde sind nur einige davon.
Kleine Übung: So schnell erkennst du Paradigmen
Eine einfache Übung zeigt, wie schnell diese Paradigmen unsere Wahrnehmung beeinflussen können. Hierzu führt Stephen R. Covey folgendes Bild auf, das uns allen bestimmt ein Begriff sein sollte. Je nach Perspektive sieht man beim Betrachten dieses Bildes eine alte oder eine junge Frau. Sieht man das Bild zum aller ersten Mal, so sieht man meistens nur eine der beiden Frauen. Erst wenn wir genauer hinsehen und die Darstellung auf uns wirken lassen, entdecken wir die zweite Frau.

Dieser Entwurf wirft zwangsläufig folgende Frage auf: Sehen wir die Welt wirklich so, wie sie ist? Oder interpretieren wir einfach alles durch unsere eigenen mentalen Filter? Eher Letzteres, oder? Wir neigen dazu zu glauben, dass unsere Sichtweise objektiv ist. Aber in Wirklichkeit beschreiben wir mehr uns selbst und unsere Paradigmen als die Welt um uns herum.
Wahrnehmung ist von vielen Faktoren geprägt
Was also tun? Zunächst einmal akzeptieren, dass deine Wahrnehmung von vielen Faktoren geprägt ist. Und wenn du das nächste Mal auf eine Meinungsverschiedenheit stößt, denke daran: Es ist nicht unbedingt etwas mit der anderen Person falsch – es könnte einfach eine andere Paradigmenperspektive sein. Denke daran, dass die Welt nicht nur so ist, wie du sie siehst, sondern auch so, wie du konditioniert bist, sie zu sehen.
Deine persönlichen Erfahrungen hinterlassen ihren Abdruck auf deiner Wahrnehmung der Welt. Es ist, als ob du durch die einzigartige Brille deiner Erfahrung schaust. Doch das bedeutet nicht, dass es keine Tatsachen gibt. Stell dir vor, du und jemand anderes betrachten gemeinsam das Bild mit der jungen und der alten Dame – ihr seht dieselben schwarzen Striche und weißen Flächen. Ihr würdet beide diese Elemente als Tatsachen anerkennen. Aber wie ihr diese Fakten interpretiert, hängt von euren bisherigen Erfahrungen ab.
Anschauliches Beispiel: Geschichte über zwei Kriegsschiffe im Nebel
Zwei dem Ausbildungsgeschwader zugeteilte Kriegsschiffe übten seit Tagen bei schwerem Wetter Manöver. Ich fuhr auf dem Leitschiff und hatte gegen Abend Dienst auf der Bricke. Nebelschwaden erschwerten die Sicht, also blieb auch der Kapitän oben und überwachte alles, Kurz nach Anbruch der Dunkelheit meldete der Ausguck: „Licht steuerbord voraus!“ „Bleibt es stehen oder bewegt es sich achteraus?“, rief der Kapitän. Der Ausguck antwortete: „Es bleibt, Kapitän.“ Was hieß, dass wir uns auf einem gefährlichen Kollisionskurs mit dem anderen Schiff befanden. Da rief der Kapitän dem Signalgast zu: „Schicken Sie dem Schiff ein Signal: Wir sind auf Kollisionskurs, empfehlen 20 Grad Kursänderung.“ Zurück kam das Signal: „Empfehlen Ihnen, den Kurs um 20 Grad zu ändern.“ Der Kapitän sagte: „Melden Sie: Ich bin ein Kapitän. Kurs um 20 Grad ändern.“ „Ich bin ein Seemann 2. Klasse“, lautete die Antwort. „Sie sollten Ihren Kurs besser um 20 Grad ändern.“ Inzwischen war der Kapitän ziemlich wütend. Er schimpfte: „Signalisieren Sie, dass ich ein Kriegsschiff bin. Er soll den Kurs um 20 Grad ändern.“ Prompt wurde eine Antwort zurückgeblinkt: „Ich bin ein Leuchtturm.“ Wir änderten unseren Kurs.
Diese Kurzgeschichte verdeutlicht: Die Art und Weise, wie wir die Welt sehen, wird stark von unserer begrenzten Wahrnehmung beeinflusst. Es ist wichtig zu verstehen, dass unsere subjektive Darstellung der Realität – unsere Landkarte des Lebens – nicht das tatsächliche Territorium darstellt.
Bestimmte Faktoren können wir nicht außer Kraft setzen
Wer versucht, seinen Weg durch Frankfurt mit dem Stadtplan von Hannover zu finden, wird schnell feststellen, dass seine „Landkarte“ nicht mit der Realität übereinstimmt. Daher ist es entscheidend, sich immer wieder bewusst zu machen: Prinzipien sind wie Leuchttürme, Naturgesetze, die wir nicht außer Kraft setzen können. Nur wenn wir unser Sein und unsere Sichtweise ändern, können wir auch unsere Wahrnehmung der Welt um uns herum verändern.
Wie kannst du also deine eigenen Paradigmen erkennen und sie in Einklang mit der objektiven Realität bringen? Indem du andere Meinungen anhörst und offen für neue Perspektiven bleibst. So kannst du dazu lernen und wachsen – sowohl als Einzelperson als auch in deinen Beziehungen zu anderen Menschen. Du willst Vertrauen gewinnen? Sei vertrauenswürdig. Du möchtest in deinem Talent anerkannt werden? Dann konzentriere dich zuerst auf deinen Charakter. Schaffe aus Gedanken Worte; Aus Worten Taten. Aus Taten Gewohnheiten. Lerne, dir selbst treu zu sein und deine eigenen Versprechen (vor allem die an dich selbst) einzuhalten.
Demnach liegt Schlüssel zum persönlichen Erfolg in der Philosophie „von innen nach außen“. Das bedeutet, persönliche Erfolge kommen vor öffentlichen. Es ist nutzlos, dein Image vor deinen Charakter zu stellen oder Beziehungen verbessern zu wollen, ohne zunächst an dir selbst zu arbeiten.
Quelle: Stephen R. Covey „Die 7 Wege zur Effektivität – Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg“