Ryan Gander, ein britischer Künstler der Gegenwart, hat auf der Art Basel 2024 sein neues Werk „School of Languages“ vorgestellt. Seine Gorilla-Installation soll die Beziehung zwischen unserer evolutionären Vergangenheit und den dynamischen Aspekten der modernen Gesellschaft untersuchen. Das Kunstwerk soll Verbindungen zwischen dem täglichen Leben und dem Mystischen ziehen.
Mein erster Eindruck von Ganders Gorilla
Bevor ich mich jetzt in die Interpretation dieses Werks stürze, will ich zunächst meine Gefühle vor Ort beschreiben. Ich hatte es eilig. In einer Stunde würde die Art Basel schließen und ich musste mich beeilen, um noch schnell das Beste von der Messe mitzubekommen. Ich ließ meine Mutter also in der Unlimited-Halle stehen und raste davon. Ja, so läuft das bei uns. Sie wollte sowieso im Café chillen. Egal. Ich eilte durch die Messe und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Denn ich sah einen weißen Raum mit weißem Schreibtisch und weißem Ventilator. Um den Tisch herum versammelten sich Menschen mit großen Augen – da musste ich hin.
Als ich näher kam, schien es, als läge unter dem weißen Schreibtisch ein Hund, der da gar nicht hingehörte – so meine ersten Gedanken. Dann ging ich um das Möbelstück herum und sah: einen Gorilla. Mein Sehorgan musste ich zunächst mehrfach fokussieren, um mir ganz sicher zu sein, dass es sich um eine leblose Tierimitation handelte – so echt sah das Tier aus. Darüber hinaus atmete es, machte leichte Handbewegungen und gab auch anderweitige Geräusche von sich. Es war schon irgendwie außergewöhnlich.

Diese Bedeutungsebene hat der Gorilla laut Künstler
In Ryan Ganders Installationskunstwerk trifft der Betrachter also auf eine Mischung aus Objekten. Im Mittelpunkt steht der Büroschreibtisch im Corporate-Stil. Neben ihm befinden sich ein elektrischer Standventilator und eine digitale Wanduhr. Durch den Ventilator soll der Geruch von Feuchtigkeit und Urin verströmt werden. Vor Ort roch ich persönlich aber nichts dergleichen. Die Figur unter dem Schreibtisch stellt einen lebensgroßen, weiblichen Gorilla dar. Trotz ihrer scheinbaren Schüchternheit zeige sie den Wunsch zu lernen, indem sie Einheiten notiere – so die ikonologische Beschreibung im Katalog. What? Die Bedeutung ihrer Handlung bleibe laut Künstler jedoch für den Betrachter unklar: Notiert sie Zeiteinheiten? Währungseinheiten? Oder gar eine Akkumulation oder einen Rückgang einer anderen Größe? All diese Fragen habe ich mir natürlich nicht gestellt.
Holen wir mal ganz weit aus und ziehen den Messebesucher mit ins interpretative Boot der modernen Künste: Dadurch, dass einige Besucher unter den Schreibtisch blickten, machte es viel mehr den Eindruck, als sei der Gorilla in gewisser Weise ängstlich und nicht gerade gut auf die Menschen zu sprechen. Als würde er dort gezielt Schutz suchen. Dass der Betrachter auf die Installation einwirkt, hätte der Künstler ja aber nicht ahnen können. Oder? Da wären wir wieder bei unseren individuellen Realitäten und Paradigmen.
Ein weiteres bemerkenswertes, von mir jedoch unbemerkt gebliebenes, Detail ist die „Wanduhr, die zwei Anzeigen in einem einzigen Objekt kombiniert“. Diese „divergieren in seltsamen Winkeln und erzeugen dadurch die Illusion von Doppelbildern“, heißt es weiter in dem Art Basel Unlimited-Katalog, was auch immer das bedeuten mag.
Eine kurze Info zum Künstler Ryan Gander
Ryan Gander wurde 1976 in Chester, Großbritannien geboren. Er lebt und arbeitet in Suffolk und soll dafür bekannt sein, traditionelle Vorstellungen von Sprache und Wissen herauszufordern und gleichzeitig neue Wege in der Präsentation und Schaffung von Kunstwerken zu gehen.
Das denke ich über Ganders Gorilla
Was denken wir über dieses Kunstwerk? Ich fang mal an: Es ist cool. Es war cool, bis ich die Bedeutungsebene von Gander gelesen hatte. Genau das ist der Punkt, über den ich mich bereits tausendfach ausgekotzt hatte. Moderne Künstler bekleben ihre Werke regelrecht mit irgend welchen tieferen Symbolen und Bedeutungen. Wir erinnern uns an meinen Anfall, den ich nach der Nicolas Party Ausstellung in Baden-Baden hatte. Auch damals fand ich es unerträglich, dass Banalitäten irgend welche Biblischen Bedeutungsebenen zugeschrieben wurden, die da gar keinen Platz hatten.
Nun. Bei unserem Gorilla von Ryan Gander ist es nicht so extrem. Hier kann weder die Sprache von Banalitäten noch von talentfreier Zone sein. Immerhin ist das Werk wirklich interessant und ruft bei dem Betrachter eindeutig Emotionen hervor. Aber ich persönlich nehme mir hier das Recht raus zu sagen, dass mir die Beschreibung des Künstlers bisschen zu dick aufgetragen erscheint. Ich liebe die einfachen Dinge, weil sie genial sind. Und in ebendieser Einfachheit liegt meiner Meinung nach auch eine Kunst – gewissermaßen.
Ich fand das Kunstwerk „School of Languages“ nice. Aber Lu Yangs Avatar DOKU, dessen Film „The Flow“ nur wenige Meter weiter auf der Art Unlimited ausgestellt wurde, kann der liebenswerte Gorilla leider nicht das Wasser reichen. Nicht weil das DOKU-Werk etwa einfach gemacht oder aufgebaut ist. Weil es selbsterklärend, zugänglich und durch die Darstellungen der Künstlerin tief philosophisch ist, ohne dass sie es notwendig hatte, irgendwelchen unscheinbaren Elementen eine zweite Bedeutungsebene zu verpassen. Und diesen Effekt können meistens nur Genies erzeugen.