Erst neulich habe ich euch von den besten Museen der Bundesrepublik erzählt. Nun. Dieses könnte auch bald auf dieser Liste stehen. Es handelt sich um das höchst umstrittene und von der Presse verhasste Fabergé Museum in Baden-Baden. Hinter einer Paywall verstecken zahlreiche Boulevard-Magazine ihre vernichtenden Kritiken gegen das Kunsthaus. Auch die BNN schießen ordentlich dagegen. Ich kann die Vorwürfe, die gefühlt in alle erdenklichen Richtungen gehen, jedoch nicht einschätzen. Also besuchte ich das Museum unvoreingenommen als Studentin der Kunstgeschichte und sah mir die Exponate aus der Nähe an. Eines davon will ich euch heute vorstellen: Das Kaiserliche Osterei aus karelischer Birke.
Memoare eines Meisterjuweliers: Qualität der Fabergé-Eier
Franz-Josef Bierbaum, einer der namhaftesten Meisterjuweliere, die für den berühmten Juwelier Peter Carl Fabergé gearbeitet haben, hat in seinen 1919 aufgezeichneten und erst 1992 veröffentlichten Memoaren*, Details zur Herstellung der sogenannten „Kaiser-Eier“ enthüllt.
Bierbaum hebt hervor, dass die Qualität dieser kunstvollen Ostereier während des Ersten Weltkrieges nachgelassen hatte. Anstatt der üblichen luxuriösen Materialien wie Diamanten und Gold wurden die Eier entweder nur in bescheidener Qualität, oder gar nicht hergestellt. Drei relativ einfache Eier sind aus dieser Zeit bekannt: Das „Rote Kreuz Ei“ von 1915 sowie das „Georgische Ei“ und das „Stahlei“, beide aus dem Jahr 1916. Zwei weitere wurden unvollendet: Eins aus Stein und das andere aus Holz.
Fabergé: Das Kaiserliche Osterei aus karelischer Birke.

Die Kaiserin Maria Fjodorowna liebte Kunsthandwerk aus karelischer Birke, einer kostbaren Holzsorte aus Karelien, Nordrussland. Also nehme ich mal an, dass das vorliegende Exemplar nach ihrem Geschmack gefertigt wurde. Ein besonderes Detail dieses Eis werde ich euch gar nicht zeigen können – und wahrscheinlich auch selbst nicht sehen: Den in dem Inneren des Kaiser-Eis versteckten Elefanten, der als Glücksbringer dienen sollte.
Ein Brief soll das schlichte Fabergé-Ei historisch einordnen
Das Kaiserliche Osterei wird im Fabergé Museum zusammen mit einem Schlüssel, dem Etui und zwei Begleitpapieren ausgestellt. Eins dieser Papiere ist die Originalrechnung Fabergés an den Kaiser vom 25. April 1917 und das zweite ist ein Brief vom 23.03.1917, geschrieben von Carl Fabergé an den Vorsitzenden der Übergangsregierung, den Justizminister Alexander Kerenskiy. Denn „wie bekannt, war der Russische Kaiser Nikolai der II. zu diesem Zeitpunkt bereits zurückgetreten und wurde nicht ohne Gewalt in seiner Sommerresidenz unter Hausarrest gehalten“, merkt das Baden-Badener Museum an.
Diplomatisch begann Karl Fabergé seinen Brief an Kerenskiy mit der Beschreibung der schwierigen Situation, in der sich seine Mitarbeiter befanden, leitete über zu der Notwendigkeit, die Militärbestellungen zu erfüllen und erwähnt auch die anstehenden Lohnauszahlungen. Schließlich bittet er den Minister um einen kleinen Gefallen: „Bitte erlauben Sie mir, dem ehemaligen Kaiser und seiner Familie ein paar kleine Gegenstände (Erinnerungstücke, Andenken) zu übergeben, unter anderem zwei kleine Tierfigürchen und ein einfaches Osterei, ohne Luxus und fast unverziert, innen ein kleiner Elefant als „Glücksbringer“.

Geheimnisvolles Verschwinden: War dieses Fabergé-Ei wirklich so schlicht?
Tatsächlich war der Elefant, wie man der Rechnung entnehmen kann, aus Gold und mit 611 Diamantrosen besetzt. Mit einem ebenfalls diamantbesetzten Schlüsselchen (siehe Bild) konnte man den Elefanten im Ei aufziehen und „zum Laufen bringen“, heißt es in den Informationen des Museums.
Es sei durchaus möglich, dass die Übergabe der Tierfiguren genehmigt wurde. Laut dem Protokoll nach der Hinrichtung der Zarenfamilie sollen nämlich etliche solcher Figuren konfisziert und an Moskauer Museen weitergegeben worden sein. Anders sieht es mit unserem „einfachen Osterei“ aus.
Das Fabergé-Ei aus karelischer Birke mit dünner Goldfassung wird in Carl Fabergés Brief an seinen oben bereits erwähnten Meisterjuwelier Franz-Josef Bierbaum angemerkt. Darin schreibt Fabergé, dieses dem Kaiser zu Ostern 1917 gemacht zu haben. Er geht davon aus, dass der Kaiser das Osterei nie bekommen hat. Kerenskiy habe das wohl nicht zugelassen. Wohin es verschwunden ist, wisse Fabergé nicht. „Jedenfalls war ich nach den Durchsuchungen und der ganzen Zerstörung durch die Bolschewiken im Firmengebäude und habe keine Spur von den Sachen gesehen“, heißt es in dem ausgestellten Brief.
Fabergé Museum in Baden-Baden beteuert Echtheit
Das Museum fügt an: „Eine erste Publikation des Birkeneies mit einer Abbildung erfolgte 1997 im Buch ,Kaiserliche Ostereier der Firma Fabergé‘ von Tatjana Fabergé, Valentin Skurlov und L. Proller. Die historische Abbildung wies absolute ldentität mit unserem Ei auf.“ Die Expertise der Punzierung** erfolgte durch den Werkstattmeister H. Wingström. Dieser soll die Markierung Fabergés sowie auch ein Fabergé-Label eindeutig bestätigt haben.
Auch kunsttechnisch gemmatologische und juweliertechnische Expertisen des Abdrucks eines Fabergé-Labels auf der Innenseite des Etuis sollen eindeutige Resultate ergeben haben. Sie ließen keine Zweifel an der Echtheit des Stückes, heißt es im Bericht des Fabergé Museums.
*Quellenhinweis: Alle hier verwendeten Informationen habe ich vom Fabergé Museum Baden-Baden. Hier geht es zur Website des Kunsthauses.
**Eine Punzierung ist eine Technik, die darin besteht, Muster und Formen von Hand in Metall oder Leder zu prägen. Das Besondere daran ist, dass das Motiv in das Material versenkt und somit als Negativ zu sehen ist. Für diese Art der Gestaltung werden spezielle Werkzeuge namens Punzen oder Punziereisen verwendet. Diese sind eigentlich Metallstifte, deren Ende durch eine einfache geometrische Form gekennzeichnet ist. Für kleine Ornamente nutzen Handwerker oft vorgefertigte Muster auf ihren Punziereisen, da diese stets gleich aussehen – ein Trick, der Zeit und Mühe spart. Die Fähigkeit, Metall oder Leder so exakt zu bearbeiten, verlangt handwerkliches Geschick und Präzision. Gepunzte Kunstwerke strahlen daher einen unverwechselbaren Charme aus und tragen die Handschrift ihres Schöpfers.