Ach du törichtes Tülpchen, es ist mal wieder so weit: Endlich schreibe ich wieder über Expressionismus, Jawlensky, Kandinsky, Kirchner, Modersohn-Becker, Münter und andere. Diese sollen nun nämlich in einen „imaginären Dialog“ mit österreichischen Expressionisten treten, heißt es in einer Pressemitteilung der Privatstiftung Leopold Museum.
Anhand von 17 Meisterwerken aus Privatsammlungen und der Sammlung Leopold, unter anderem Gabriele Münter, Wassily Kandinsky oder Ernst Ludwig Kirchner, zeigt das Leopold Museum eine erlesene Auswahl an Gemälden des Deutschen Expressionismus. Juhu! Und wer ist jetzt gerade vor Ort, um sich das ganze reinzuziehen? Richtig! Nicht ich, sondern meine Mutter. Noice.
Deutscher Expressionismus in Wien
Die aktuelle Fokuspräsentation „Deutscher Expressionismus“ im Rahmen der permanenten Ausstellung „Wien 1900. Aufbruch in die Moderne“ ermöglicht einen Einblick in die unterschiedlichen Ausprägungen expressionistischen deutschen Kunstschaffens. Zu sehen sind die ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.
17 hochkarätige Werke von Lovis Corinth, Marianne von Werefkin, Alexej von Jawlensky, Wassily Kandinsky, haha „deutscher Expressionismus“ – if you know it, you know it Paula Modersohn-Becker, Gabriele Münter, Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein, Erich Heckel und August Macke begegnen einander in der permanenten Präsentation. Im Leopold Museum findet dies erstmals in dieser fokussierten Form statt. Erinnert uns das mutmaßlich an die Ekstase der Farben beim Blauen Reiter im Münchner Lenbachhaus? Durchaus, durchaus.

Das macht diese farbenfrohe Kunstrichtung aus
Der Deutsche Expressionismus zeichnet sich durch die expressive Reduktion der Malmittel und eine radikale Vereinfachung von Form und Farbe aus. Impulse aus dem Formenrepertoire außereuropäischer, indigener Kunst und regionaler Volkskunst vervollständigen das Bild einer überaus facettenreichen Kunstrichtung. Diese wird durch die Verbindung mit der französischen Avantgarde wie den Nabis und den Fauvisten sowie eigenständige Positionen wie die Paula Modersohn-Beckers abgerundet.
Deutsche wie österreichische Expressionisten hinterfragten und erweiterten den Schönheitsbegriff radikal. Vereint unter einem Dach treten beide Strömungen in dieser Fokus-Schau in einen imaginären Dialog.
Was hat Expressionismus mit wirtschaftlichem Fortschritt zu tun?
Der Begriff Expressionismus wurde in Deutschland erstmals 1911 im Vorwort des Kataloges zur 22. Ausstellung der Berliner Secession in Zusammenhang mit den Werken junger französischer Künstler verwendet.
Der Deutsche Expressionismus wurzelt u.a. in den negativen Begleiterscheinungen des rasanten wirtschaftlichen Fortschritts der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Die Schattenseiten der Industrialisierung führten unweigerlich zu sozialen Konflikten. Mit der zunehmenden Entfremdung von Natur und Spiritualität entstand eine Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, Innerlichkeit und freiem Ausdruck. Diese bildete im wilhelminischen Kaiserreich den Nährboden für den Expressionismus.
Die expressionistische Kunst umfasste radikale künstlerische Reaktionen auf den Impressionismus und auf konservative akademische Traditionen. Die Expressionisten nahmen hinsichtlich eines freien Umgangs mit Farbe und Form Anleihen beim Schaffen der französischen Künstlergruppe Nabis („Propheten“), bei den Fauves („Wilde“) um Henri Matisse sowie beim Norweger Edvard Munch. Ebenso bezogen sie Impulse aus dem Formenrepertoire außereuropäischer, indigener Kunst und aus der regionalen Volkskunst, etwa der Hinterglasmalerei.

Wiener Leopold Museum: Schwerpunkte der Ausstellung
Die Präsentation Deutscher Expressionismus zeigt ausgewählte Beispiele aus dem Schaffen der Dresdner Künstlergemeinschaft Brücke, die sich ab 1905 um Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel; Fritz Bleyl und Karl Schmidt-Rottluff formierte. Die Künstler rebellierten gegen den Impressionismus und die Wiedergabe der Außenwelt nach tradierten Regeln. Als Teil einer naturbezogenen Lebensreform sollte Kunst „Freiheit verschaffen“, die „unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was […] zum Schaffen drängt“ (Kirchner, 1906).
Die Malerinnen und Maler im Umkreis des Münchner Almanachs Der Blaue Reiter *engelsgesang* begaben sich auf die Suche nach einer neuen Innerlichkeit in der Kunst. Ihre Werke zeichnen sich durch klare Konturen aus, die bisweilen intensive Farbigkeit löste sich zunehmend vom Gegenstand. Die im Leopold Museum ausgestellten Exponate sollen ein eine Hinwendung vom Impressionismus zum Expressionismus nachvollziehbar machen.

Expressionismus in Deutschland und Österreich
Durch die im Leopold Museum gegebene räumliche Nähe zu den Werken österreichischer Ausdruckskunst – von Richard Gerstl, Oskar Kokoschka, Egon Schiele und Max Oppenheimer bis zu Anton Kolig, Anton Faistauer und Herbert Boeckl – ermöglicht die Fokusausstellung zum Deutschen Expressionismus nun einen besonders guten Vergleich der länderspezifischen Ausprägungen expressionistischer Strömungen.
Zu den Höhepunkten der permanenten Ausstellung „Wien 1900. Aufbruch in die Moderne“ zählt neben der Kunstproduktion in Wien um 1900 insbesondere die Kunst des österreichischen Expressionismus. Das Museum zeigt auch die weltgrößten Sammlungen von Werken des Expressionismus-Vorreiters Richard Gerstl und von Egon Schiele – einem der wichtigsten österreichischen Protagonisten der Kunstrichtung. Darüber hinaus besitzt das Leopold Museum einige bedeutende Werke des deutschen Impressionismus und Expressionismus, unter anderem von Max Liebermann, Lovis Corinth, Max Beckmann oder Ernst Ludwig Kirchner. Ein Besuch lohnt sich also auch außerhalb aller Sonderausstellungen.
Quelle: presseportal.de: Pressemitteilung des Leopold Museums